Referate auf der Öffentlichen Tagung „Der Mehrwert Sozialer Landwirtschaft“ vom 26. bis 28. Oktober 2007

Vorträge am Freitag, den 26.10. 2007: Einführung in das Thema

Thomas van Elsen, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Witzenhausen

Thomas van Elsen, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Witzenhausen

1.1. Dr. Thomas van Elsen: „Soziale Landwirtschaft“ als Chance multifunktionaler Landbewirtschaftung. Aufbruchstimmung in Europa?

 

Soziale Landwirtschaft wird europaweit als Zukunftsperspektive diskutiert. Seit April 2004 findet jährlich ein internationales Arbeitstreffen zum Thema Farming for Health statt. Politisch gefordert wird die „Multifunktionalität“ von Landwirtschaft, die nicht nur Verkaufsfrüchte produzieren soll, sondern zum Träger von Aufgaben im ländlichen Raum wird. Aus dieser Arbeitsgemeinschaft (http://www.farmingforhealth.org/) sind zwei Forschungsaktivitäten entstanden, die COST-Action 866 Green Care in Agriculture und das EU-Forschungsprojekt SoFar (Social Farming).

Die COST (Europäische Kooperation im Bereich technologischer und wissenschaftlicher Forschung) -Action 866 Green Care in Agriculture (http://www.umb.no/greencare) ist ein länderübergreifender Rahmen für internationale Zusammenarbeit zwischen national geförderten Forschungsaktivitäten. Hauptanliegen ist, die wissenschaftlichen Grundlagen für die Praxis der Einbeziehung von Green Care in die Landwirtschaft zu verbessern, mit dem Ziel, die mentale und physische Gesundheit von Menschen und ihre Lebensqualität zu steigern. Das EU-Forschungsprojekt SoFar (Social Farming - Soziale Landwirtschaft - soziale Leistungen multifunktionaler Höfe) ist ein länderübergreifendes Projekt, das die Verbreitung und Entwicklung Sozialer Landwirtschaft in Europa unterstützen möchte.

 

Robert Hermanowski, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Frankfurt

Robert Hermanowski, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Frankfurt

1.2. Dr. Robert Hermanowski: Beschäftigung von Menschen mit Behinderung auf landwirtschaftlichen Betrieben

 

In Deutschland finden sich Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung in der Landwirtschaft in der Regel in sozialen Einrichtungen. Dementsprechend stellen bundesweit ca. 150 „Werkstätten für behinderte Menschen“ (WfbM) ca. 5.000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zur Verfügung, die über Pflegegelder der jeweiligen Kostenträger finanziert werden. Noch relativ wenig verbreitet sind Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung auf landwirtschaftlichen Betrieben außerhalb einer WfbM. Neben finanziellen und technischen Beschränkungen z. B. für körperlich behinderte Menschen besteht ein wesentliches Hindernis darin, dass Fördermaßnahmen und Beratungsunterstützung bei der Schaffung von Integrationsarbeitsplätzen nur unzureichend bei der Zielgruppe landwirtschaftliche Betriebe bekannt sind. Zudem wird die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung häufig unterschätzt. Im Rahmen einer vom FiBL koordinierten, bundesweiten „Kampagne zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung in landwirtschaftlichen Betrieben“ soll der landwirtschaftliche Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung erschlossen werden. Das Projekt befindet sich in der Antragsphase beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Weitere Informationen unter:

gruene-werkstatt.de/documents/tagun[...]

gruene-werkstatt.de/documents/arbei[...]

 

 

 

Marie Kalisch, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Witzenhausen

Marie Kalisch, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Witzenhausen

1.3. Marie Kalisch: Die Vielfalt Sozialer Landwirtschaft in Deutschland

 

Der Beitrag berichtet aus dem EU-Projekt SoFar, das von der EU im Rahmen des 6. Rahmenprogramms ( 8.1.B.1.1 Modernisierung und Nachhaltigkeit der Land- und Forstwirtschaft) gefördert wird und zum Ziel hat, die Entwicklung der Sozialen Landwirtschaft in sieben europäischen Ländern zu fördern. Die erste Projektphase (Bestandsaufnahme und Situationsanalyse) befasste sich mit der Auswertung von Literatur, Verschickung von Fragebögen. Es wurde eine Übersicht über Institutionen und Akteure erstellt, Betriebe besucht, Gespräche geführt und reichhaltiges Bildmaterial zur Bereicherung der Dokumentation zusammen getragen. – Immer auf der Suche danach, was Soziale Landwirtschaft ist und ausmacht. Auf diesen Betriebsbesuchen und auf den Tagungen in der zweiten Projektphase (Strategieforum in Kassel) begegneten wir immer wieder der Vielfalt: Die Standortvoraussetzungen dieser Höfe, der Vereine und der Einrichtungen, die Ideen und Initialimpulse werden von vielen Faktoren bestimmt, darunter z.B. die verschiedenen rechtlichen Vorgaben der Bundesländer, die Menschen vor Ort und ihre Fähigkeiten, die Ideen, die Landschaft, die Finanzierung und nicht zuletzt die Geschichte. All das bestimmt dann darüber, welches (soziale) Klima auf dem Hof lebt. In der letzten Projektphase sollen die Ergebnisse unter anderem als Buch und DVD publiziert werden.


Albrecht Flake, Stiftung Eben-Ezer, Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in  Lemgo

Albrecht Flake, Stiftung Eben-Ezer, Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in Lemgo

2. Aufgabenfelder Sozialer Landwirtschaft in Deutschland

2.1. Albrecht Flake: Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung in der Landwirtschaft

 

Im Bereich von Grünen WfbM und Integrationsbetrieben aus den Branchen Gartenbau und Landwirtschaft sind heute überwiegend Menschen mit geistiger Behinderung, häufig in Verbindung mit zusätzlichen körperlichen Einschränkungen (leichte bis mittelschwere Behinderungsgrade, ICD-10 F70 – F72, F74); Menschen mit psychischen bzw. seelischen Behinderungen (chronisch Erkrankte); Lernbehinderte mit einem IQ >70 oder anderer Leistungsminderung und sozial Benachteiligte mit problematischer Lebensführung und Umgangsformen beschäftigt, betreut bzw. angestellt. Aufgrund von Unterschieden bzw. Defiziten im Arbeits- u. Sozialverhalten behinderter im Vergleich zu nicht- behinderter Menschen müssen die Arbeitsplätze gestaltet und an die Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst werden. Dazu gehören grundsätzliche Entwicklungsförderung, Förderung der beruflichen Fähigkeiten („Ausbildung“) und die Förderung der beruflichen Integration („Weiterbildung“). „Soziale Leistungen“ durch landwirtschaftliche Arbeitsplatzangebote können dabei einen besonderen Mehrwert erbringen. Kontakt: www.eben-ezer.de

 

 

Claudia Leibrock, Evangelische Landjugendakademie Altenkirchen

Claudia Leibrock, Evangelische Landjugendakademie Altenkirchen

2.2. Claudia Leibrock: Fort- und Weiterbildung in Sozialer Landwirtschaft am Beispiel der Schulbauernhöfe

 

Seit Anfang der 90er Jahre werden in der Evangelischen Landjugendakademie Altenkirchen Seminare zum Themenfeld „Werkstätten für behinderte Menschen mit einem landwirtschaftlichen Betrieb“ sowie zum Thema „Schulbauernhöfe“ angeboten. Seit der ersten Tagung im Januar 1994 mit dem Titel „Behinderte Arbeitnehmer in der Landwirtschaft“ hat sich die Veranstaltung für die Werkstätten zu einem festen Termin für Informations- und Erfahrungsaustausch entwickelt. Im Bereich des „Lernens auf dem Bauernhof“ trafen sich zunächst Vertreter von bestehenden Schulbauernhöfen zum Erfahrungsaustausch. Im Jahr 2001 wurde ein Projekt beim damaligen Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft beantragt, das die Situation zum Lernen auf dem Bauernhof in Deutschland erheben und einen Leitfaden sowie einen Internetauftritt dazu entwickeln sollte. Der Bereich der landwirtschaftlichen Betriebe wurde dabei von der Evangelischen Landjugendakademie, der Bereich der Schulen von der i.m.a (information.medien.agrar e.V.) bearbeitet. Die Ergebnisse und Expertisen dieser zwei Jahre von 2001 – 2003 sind im Internet unter www.baglob.de zu finden. Inzwischen gibt es neben den genannten drei bis vier Terminen zum Thema „Lernen auf dem Bauernhof“ in der Evangelischen Landjugendakademie Altenkirchen auch etliche regionale Angebote und Vernetzungstreffen. Kontakt: www.lja.de

 

Mario Dengelmann von der Suchthilfe Fleckenbühl in Cölbe

Mario Dengelmann von der Suchthilfe Fleckenbühl in Cölbe

Thomas Beuerle von der Suchthilfe Fleckenbühl in Cölbe

Thomas Beuerle von der Suchthilfe Fleckenbühl in Cölbe

2.3. Uwe Weimar und Mario Degelmann: Suchthilfe durch Landwirtschaft? Therapeutische Ansätze am Beispiel von Hof Fleckenbühl in Cölbe (Vortrag durch zwei Vertreter)

 

Im Haus der Suchthilfe Fleckenbühl besteht die Therapie aus Abstinenz und sinnvoller Arbeit. Bis Abhängige sich ihre Sucht eingestehen und den Entschluss für eine Kehrtwende im Leben fassen, können Jahre vergehen. Viele Süchtige stehen vor dem Nichts – ohne Wohnung, ohne Arbeit und ohne Freunde. Bei der Suchthilfe Fleckenbühl finden sie ohne langwierige Aufnahmeverfahren sofort ein Dach über dem Kopf, sie haben vom ersten Tag an eine Aufgabe und vielleicht bald auch neue Freunde. Das ehemalige Stadtgut bei Marburg wird seit 1984 von uns biologisch-dynamisch bewirtschaftet. Zum Hof gehören der landwirtschaftliche Betrieb mit den Bereichen Vieh- und Feldwirtschaft und Landschaftspflege. Der betriebliche Schwerpunkt liegt auf der Milchviehhaltung.

In der historischen Anlage sind Ställe und Maschinenhallen eingerichtet. Ein Ausbau des Milchviehstalls mit einem Boxenlaufstall ist in Planung. Auf insgesamt 250 Hektar Nutzfläche, davon 80ha Dauergrünland, werden unter anderem Back- und Futtergetreide angebaut. Es wird besonderer Wert auf eine ausgewogene Fruchtfolge und eine umweltschonende Bewirtschaftung gelegt. Die Urprodukte werden in der eigenen Bäckerei und Käserei weiterverarbeitet. In der Vollkornbäckerei werden aus eigenem Demeter- Getreide täglich rund 20 verschiedene Vollkornbrote, Vollkornbrötchen und Snacks sowie diverse Kuchen hergestellt. Die Fleckenbühler Käserei verarbeitet 300.000 Liter Kuhmilch und 15.000 Liter Ziegenmilch im Jahr zu hochwertigen Rohmilchprodukten. Nicht zuletzt fördern die körperliche Arbeit und Vollwerternährung mit biologisch-dynamischen Lebensmitteln die physische und psychische Genesung, die die Grundlage für ein Auseinandersetzen mit der Sucht und das Erlernen nicht süchtiger Verhaltensweisen ist. In Abwandlung des alten Spruchs „per aspera ad astra“ (Durch die Härte zu den Sternen) gilt bei uns: Deiner Hände Arbeit halten dich nüchtern. Kontakt: www.suchthilfe.org

 

Ulrike Laubach, Hofgemeinschaft Weide- Hardebek in Schleswig Holstein

Ulrike Laubach, Hofgemeinschaft Weide- Hardebek in Schleswig Holstein

2.4. Ulrike Laubach: „Teilhabe“ als Ziel der Integration von Menschen mit Behinderung

 

Die Hofgemeinschaft Weide-Hardebek ist eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, die aus ca. 100 Menschen besteht. Wir betreiben gemeinsam biologisch-dynamische Landwirtschaft sowie eine Tischlerei. Aus der Landwirtschaft ergeben sich weitere Bereiche, wie z.B. unsere Gärtnerei, eine Bäckerei, eine rege Vermarktung mit Schwerpunkt Großhandel. Wir betreiben vier große Hauswirtschaften und bauen alle unsere Gebäude, soweit es uns möglich ist, selbst. In den 70er Jahren kamen, eher zufällig, die ersten Menschen mit Hilfebedarf auf den Hof „Hasenmoor“. Die Hofgemeinschaft Weide-Hardebek wurde Ende der 80er Jahre, als eigenständige Hofgemeinschaft, gegründet. Mittlerweile bewirtschaften wir ca. 190 ha Land, der größte Teil leider Pachtland, wir züchten und vermarkten Dexterrinder, Hinterwälder und Angler-Sattelschweine.

Bis zum Ende der 90er Jahre vertrat die Hofgemeinschaft Weide-Hardebek ausschließlich sich selbst. 1998 entstand eine Kooperation mit weiteren 8 Höfen, die in ganz Schleswig-Holstein angesiedelt sind. Eine Zusammenarbeit in der Landwirtschaft fand schon seit vielen Jahren statt, nun folgte auch eine Zusammenarbeit in der „Sozialarbeit“. Die einzelnen Höfe der Höfegemeinschaft arbeiten sowohl in der Landwirtschaft, als auch finanziell unabhängig.

Es wird durch die Höfegemeinschaft als Stärkung gesehen, dass auch in anderen Regionen Deutschlands sowie in europäischen Ländern vergleichbare Initiativen bestehen.

Das wesentliche Element unserer Arbeit bestand von Anfang an und besteht auch weiterhin darin, die Menschen, die in unsere Gemeinschaften kommen, mit in die realen Aufgabenstellungen des Hofes einzubeziehen. Grundlage unseres Zusammenlebens und der gemeinsamen Arbeit bildet bewusst die biologisch-dynamische Landwirtschaft. Die zentrale Fragestellung lautet: „Was benötigt der Hof?“ An den Bedürfnissen des Hofes orientiert sich die Lebensführung der Menschen. Die Menschen unserer Gemeinschaft versuchen, ihre individuellen Bedürfnisse in Einklang mit den Bedürfnissen des Hofes zu stellen. Kontakt: www.weide-hardebek.de

Vorträge am Samstag, 27.10.2007; 3. Fallbeispiele und Visionen

Stefan Scholz, Hohenfrieder Werkstätten (WfbM) in Bayrisch Gmain

Stefan Scholz, Hohenfrieder Werkstätten (WfbM) in Bayrisch Gmain

3.1. Stefan Scholz: Mit Pflanzen wachsen? Berufsbiografische Entwicklungschancen für Menschen mit mentaler Beeinträchtigung. Praxisbericht aus der Hohenfrieder Gärtnerei

 

Die Hohenfrieder Gärtnerei, gelegen im Berchtesgadener Alpenland, ist eine anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderung und bietet individuelle berufliche Perspektiven für ca. zwölf Mitarbeiter mit einer mentalen Beeinträchtigung durch die Arbeit im ökologischen Landbau. Sie werden von einem Werkstattgruppenleiter und einem weiteren Arbeitsanleiter begleitet.

In der Hohenfrieder Gärtnerei werden zur Erhaltung des Kulturgutes „Nutzpflanzen“ alte, wie auch regionale, fast vergessene Gemüsesorten vermehrt, angebaut und vermarktet. Durch kurze Wege vom Hohenfrieder Feld zum Verbraucher und Kooperationen mit regionalen slow food Restaurants, wird ermöglicht, dass die fast vergessenen Gemüsesorten im Berchtesgadener Land wieder mehr den Weg auf den Teller von Feinschmeckern finden. So wird versucht, den Kunden neue Geschmacks- und Sichtweisen zu eröffnen. Den Einzelnen dazu anzuregen, über Qualität und Werte nachzudenken und sein Kaufverhalten gegebenenfalls bewusster zu steuern.

Neben dem Gemüseanbau (demeter) sind Dienstleistungen des Garten- und Landschaftsbaus ein weiterer Arbeitsbereich. Waldarbeit, Holzernte und Jungbestandspflege zur Waldentwicklung sowie Kulturlandschaftspflege in Form von Streuwiesenmahd und Feldheckenverjüngung werden ergänzt durch die Gestaltung und Pflege gärtnerischer Anlagen für Privat- und Firmenkunden. Die Kulturlandschaftspflege wird in den Randgebieten des Nationalparkes und Biosphärenreservates „Berchtesgadener Alpen“ verstärkt nachgefragt. Die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung in dieser Region führt zum Verlust der zuvor prägenden Kulturlandschaft mit dem Wechsel von Weideflächen und Almen. Die Dienstleistungen in der Kulturlandschaftspflege erfolgen in Zusammenarbeit mit der Hohenfrieder WfbM-Landwirtschaft (demeter) und dem Bäuerlichen Betriebshilfering des Berchtesgadener Landes. Kontakt: www.hohenfried-info.de

 

Sabine Gehle, Kindergarten Hof Dannwisch in Horst

Sabine Gehle, Kindergarten Hof Dannwisch in Horst

3.2. Sabine Gehle: Kindergärtnern auf dem Wirtschaftsbetrieb Erfahrungen auf Hof Dannwisch

 

Vor zwei Jahren habe ich zusammen mit einer Gruppe initiativer Eltern die Kinderstube „Das Bienenhäuschen“ auf dem Demeter-Hof Dannwisch gegründet. Die Kinderstube ist ein Versuch, Landwirtschaft und Pädagogik zusammenzuführen. Hof Dannwisch, nördlich von Hamburg gelegen, ist eine Betriebsgemeinschaft mit derzeit insgesamt etwa 35 Menschen. Die Kinderstube hat auf dem Hof ein Gelände zur Verfügung gestellt bekommen. Das „Bienenhäuschen“ ist eine kleine Hütte auf dem Gelände, in der wir unser gemeinsames Frühstück einnehmen, Geschichten hören und Schutz bei „schlechtem“ Wetter aufsuchen. Zurzeit besuchen jeden Vormittag 13 Kinder im Alter von 3 – 6 Jahren die Kinderstube. Die Kinder sind draußen und ständig umgeben von arbeitenden Menschen, von Tieren, der Natur und dem Wetter. Der Hof ist Lern-Raum für die Kinder.

Besonders in der Landwirtschaft können Kinder durch Wahrnehmung und Mitarbeit unmittelbare Zusammenhänge erleben. Sie säen und ernten, lernen, wie aus Milch Käse, aus Getreide Brot entsteht. Sie erleben im Wachstum, wie Erde, Sonne und Regen nähren, wie auch der Mensch in den Jahreslauf und in die Naturkräfte eingebunden ist und sich die notwendigen Arbeiten daraus ergeben. Sie dürfen für Tiere sorgen, ihre Wärme, Scheu und Neugier fühlen. Und mitbekommen, wie nah Leben und Tod beieinander liegen. Durch diese Erfahrungen entwickeln sich tiefe Beziehungen zu den sie umgebenden Pflanzen, Tieren und Menschen. Die Kinder bilden Vertrauen zu der Welt, die sie umgibt, und es entwickelt sich ein Gefühl von Verantwortung für die Welt, in der sie leben.

Kontakt: www.dannwisch.de

 

Gerlinde Nägel, Hofgemeinschaft Klostersee in Cismar

Gerlinde Nägel, Hofgemeinschaft Klostersee in Cismar

3.3. Gerlinde Nägel: Das Altenwohnprojekt auf Hof Klostersee – ein Erfahrungsbericht

 

Hof Klostersee liegt direkt an der Ostsee in der Lübecker Bucht, ca. 60 km nördlich von Lübeck. 1987 haben mein Mann und ich Hof Klostersee nach einer 12jährigen Verpachtung von seinen Eltern übernommen und auf biologisch-dynamischen Anbau umgestellt. Heute bewirtschaftet die Betriebsgemeinschaft ca. 90 ha Land, betreibt Milchwirtschaft mit ca. 40 Kühen und eine eigene Milchverarbeitung. Ein Teil unseres Getreides wird zu Brot verbacken. Ein weiteres wichtiges Standbein sind Feriengäste, ca. 160 Familien jährlich. Angeregt durch die Wintertagung in Amelinghausen im Jahr 1997, wurde die Idee Seniorenwohnprojekt aufgenommen und eine alte Scheune zu 7 Mietwohnungen ausgebaut. Seit Mai 2001 sind die Wohnungen fertig und wurden dann auch gleich bezogen. Die Bewohner/Innen waren bei ihrem Einzug zwischen 58 und 78 Jahre alt, kommen aus ganz Deutschland. Der Aufbau tragfähiger menschlicher Beziehungen und einer Struktur, die das Miteinander und das miteinander Tätigseinkönnen realisiert, stellt eine Herausforderung dar. Insgesamt ist deutlich zu spüren, dass eine größere menschliche Fülle auf dem Hof lebt. Das kann manchmal anstrengend sein, weil wir noch mehr Menschen im Kopf und im Herz tragen müssen. Aber in erster Linie ist es bereichernd und entlastend, weil gerade die uns allen wichtigen Dinge, v. a. die ideellen, auf mehrere Schultern verteilt sind. Wir haben jetzt eine Großeltern-Generation auf dem Hof, aber wir leben unbelastet von langjährigen familiären Konflikten zusammen. Entscheidend für das Gelingen ist zum einen ein solides wirtschaftliches Fundament, möglichst in weitgehender Selbstverwaltung, zumindest aber Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Auf der anderen Seite ist unser Projekt absolut non-kommerziell. Und der zweite wichtige Punkt ist, dass man eine gemeinsame objektiv wichtige Sache als gemeinsamen Mittelpunkt und gemeinsames Wirkungsfeld hat – in unserem Fall die Landwirtschaft bzw. den ganzen Hof.

Kontakt: www.hof-klostersee.de

 

Dr. Manfred Schulze, Hof Hauser in Wolfhagen

Dr. Manfred Schulze, Hof Hauser in Wolfhagen

3.4. Dr. Manfred Schulze: Soziale Landwirtschaft für die Natur

 

Die Beziehung des Menschen zur Natur ist heute von zwei extremen Haltungen bestimmt: Romantik und Ekel. Der Naturschutz, der den Menschen eher als Störer der Natur betrachtet, romantisiert den „Naturzustand“ als vom Menschen unabhängig. Er ignoriert dabei die viele Generationen überdauernde pflegende Kultivierung der Natur und hält die Naturreiche für unabhängig voneinander und vor allem für unabhängig vom Menschen. Er verkennt, dass der Reichtum der Natur durch Kultivierung des Menschen zustande gekommen ist. Die zweite Haltung ist die Objektivierung der Natur mit den extremen Formen von Ekel oder gar Hass gegenüber allem Natürlichen. Der Ekel hält uns die Natur und ihre moralische Forderung auf Abstand. Diese Haltung ist zugleich aber ertragreich, um die Ressourcen der Natur nicht zu kultivieren sondern auszuplündern.

Beide Zugänge oder besser Nicht-Zugänge vermeiden den wesenhaften Kontakt, die wirkliche Kommunikation mit der Natur und ihren Gestaltungs- und Bewegungskräften. Sie vermeiden die sonst unvermeidbare Aufforderung der Natur, die mehrtausendjährige Zusammenarbeit wieder aufzunehmen und die Verantwortung für die in hundert Jahren industriellem Umgang verwüsteten Beziehungen zu übernehmen. Natur ist ja in Mitteleuropa überall Kultur - kultivierte, variierte Natur. Die fern aller Romantik gelegene notwendige Kommunikation von Mensch und Natur wird vom Menschen mit dem Ziel der Befreiung aufgegeben. Naturwissenschaft und Technik verhelfen ihm zu der Illusion, von den Naturkräften oder Naturzwängen frei zu sein.

Durch den sozial-ökologischen Landbau kann in der Pflege und Kultivierung der Natur zugleich diese notwendige Willenserziehung des Menschen erfolgen. Der sozialtherapeutische Mehrwert eines ökologischen Landbaus erfolgt durch die Anbindung des Menschen an die Erde, Pflanzen- und Tierwelt – und diese Bindung geschieht über die körperlich anstrengende und dadurch erbauliche Arbeit. Kontakt: hofhauser@web.de

Dr. Thomas van Elsen beim Einteilen der Arbeitsgruppen

Dr. Thomas van Elsen beim Einteilen der Arbeitsgruppen

Stefan Lange trägt die Ergebnisse der dritten Arbeitsgruppe im Plenum vor

Stefan Lange trägt die Ergebnisse der dritten Arbeitsgruppe im Plenum vor

Arbeitsforum Soziale Landwirtschaft

Arbeitsgruppen:

• Was bedeutet „soziale“ Landwirtschaft? Was ist ihr „Mehrwert“? Annäherung und Verständigung über in Bewegung gekommene Begriffe.

• Welche „soziale“ Landwirtschaft wollen wir? – Spezialisiertes Marktsegment oder Perspektive für einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel?

• Soziale Landwirtschaft im Spannungsfeld zwischen der Wirtschaftlichkeit von Beschäftigung und den optimalen Bedingungen für Therapie und Lebensqualität.

Soziale Landwirtschaft als Chance für Multifunktionalität?